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Meret
Artikel zum Brunnen von Meret Oppenheim auf dem Waisenhausplatz in Bern,
trans magazin ETH Zürich, Ausgabe 45, 2024︎︎︎

„In meinem Arbeitsalltag als Architektin versuche ich, alles was mit den Oberflächen eines Hauses nach Bauabschluss passieren könnte, vorauszusehen, miteinzuplanen oder sogar vorwegzunehmen. Meret Oppenheim hingegen hat mit ihrem Brunnen für den Waisenhausplatz in Bern ein Bauwerk geschaffen, das auf Veränderung ausgelegt ist. Ihr Brunnen soll von Pflanzen bewachsen werden, mitten in der „Autowüste”, wie sie es formuliert, soll er die Grundlage bilden für die Rückkehr der Natur in die Stadt.
...
Das Erzeugen und Aufrechterhalten der Illusion der von Oppenheim ersehnten, vermeintlich unkontrollierten Übernahme von Naturkräften wird allerdings ein beträchtliches Mass an Überwachung, Unterhalt und Pflege beanspruchen.
...
Das Aussehen des Brunnens ist heute nicht von aus den Rinnen spriessenden Gräsern und herunterhängenden Girlanden geprägt, vielmehr verändert sich die ganze Morphologie des Brunnens fortwährend. Die Schnittstelle zwischen Gebauten und Gewachsenem verfloss nicht nur im Planungs- und Bauprozess, in dem durch stetiges Überwachen, Anpassen, Korrigieren und Verändern ein Wechselspiel zwischen Kontrollerhalt und -verlust entstanden ist, das bis in die Gegenwart anhält. Der ganze Brunnen befindet sich heute in einem ephemeren Zustand zwischen Bauwerk und Pflanze: Moose und Tuff bilden wulstartige Ausbauchungen der Brunnensäule und nehmen die Rinnen in sich auf, das Wasser fliesst nicht von Rinnensegment zu Rinnensegment und bewässert die in den „Käneln” wachsenden Pflanzen, sondern wird durch Versinterung selbst formbildend. Die Transformation des Brunnens von Meret Oppenheim ist anhaltend, das Aussehen des Brunnens wird sich weiterhin wandeln, Biologinnen, Restauratoren, Wassertechnikerinnen und Ingenieure werden die Veränderungen auch zukünftig im Auftrag der Stadt Bern überwachen und dokumentieren. Sie werden Massnahmen vorschlagen, um die Transformationen, die sich aus biologischen, klimatischen, technischen und politischen Einflüssen ergeben, unter Kontrolle zu bekommen und das sorgfältig erzeugte Bild eines überwucherten, bemoosten und überwachsenen Brunnens zu erhalten. Expertinnen und Politiker werden die vorgeschlagenen Massnahmen umsetzen oder ablehnen, und der Brunnen wird auch in Zukunft unterschiedliche Einflüsse und Interessen abbilden und den faszinierenden Übergang vom Kalkulierbaren, Vorhersehbaren und Beständigen zum Unerwarteten und Ephemeren verkörpern und damit unser Vermögen, das Unkontrollierbare ideell aber auch logistisch auszuhalten, herausfordern.”


Meret
Artikel zum Brunnen von Meret Oppenheim auf dem Waisenhausplatz in Bern,
trans magazin ETH Zürich, Ausgabe 45, 2024︎︎︎

„In meinem Arbeitsalltag als Architektin versuche ich, alles was mit den Oberflächen eines Hauses nach Bauabschluss passieren könnte, vorauszusehen, miteinzuplanen oder sogar vorwegzunehmen. Meret Oppenheim hingegen hat mit ihrem Brunnen für den Waisenhausplatz in Bern ein Bauwerk geschaffen, das auf Veränderung ausgelegt ist. Ihr Brunnen soll von Pflanzen bewachsen werden, mitten in der „Autowüste”, wie sie es formuliert, soll er die Grundlage bilden für die Rückkehr der Natur in die Stadt.
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Das Erzeugen und Aufrechterhalten der Illusion der von Oppenheim ersehnten, vermeintlich unkontrollierten Übernahme von Naturkräften wird allerdings ein beträchtliches Mass an Überwachung, Unterhalt und Pflege beanspruchen.
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Das Aussehen des Brunnens ist heute nicht von aus den Rinnen spriessenden Gräsern und herunterhängenden Girlanden geprägt, vielmehr verändert sich die ganze Morphologie des Brunnens fortwährend. Die Schnittstelle zwischen Gebauten und Gewachsenem verfloss nicht nur im Planungs- und Bauprozess, in dem durch stetiges Überwachen, Anpassen, Korrigieren und Verändern ein Wechselspiel zwischen Kontrollerhalt und -verlust entstanden ist, das bis in die Gegenwart anhält. Der ganze Brunnen befindet sich heute in einem ephemeren Zustand zwischen Bauwerk und Pflanze: Moose und Tuff bilden wulstartige Ausbauchungen der Brunnensäule und nehmen die Rinnen in sich auf, das Wasser fliesst nicht von Rinnensegment zu Rinnensegment und bewässert die in den „Käneln” wachsenden Pflanzen, sondern wird durch Versinterung selbst formbildend. Die Transformation des Brunnens von Meret Oppenheim ist anhaltend, das Aussehen des Brunnens wird sich weiterhin wandeln, Biologinnen, Restauratoren, Wassertechnikerinnen und Ingenieure werden die Veränderungen auch zukünftig im Auftrag der Stadt Bern überwachen und dokumentieren. Sie werden Massnahmen vorschlagen, um die Transformationen, die sich aus biologischen, klimatischen, technischen und politischen Einflüssen ergeben, unter Kontrolle zu bekommen und das sorgfältig erzeugte Bild eines überwucherten, bemoosten und überwachsenen Brunnens zu erhalten. Expertinnen und Politiker werden die vorgeschlagenen Massnahmen umsetzen oder ablehnen, und der Brunnen wird auch in Zukunft unterschiedliche Einflüsse und Interessen abbilden und den faszinierenden Übergang vom Kalkulierbaren, Vorhersehbaren und Beständigen zum Unerwarteten und Ephemeren verkörpern und damit unser Vermögen, das Unkontrollierbare ideell aber auch logistisch auszuhalten, herausfordern.”



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